Einleitung:
Überall begegnet man Wappen – am Rathaus, in der Kirche, der Burg, in alten Handschriften oder als Siegel. Das Wort Wappen (mittelhochdeutsch wâpen, wâfen) leitet sich ab von „Waffe, Rüstung“, und diente ursprünglich dem Erkennen von einzelnen Rittern, die bewehrt mit Rüstung und geschlossenem Helm in Schlachten und Turniere zogen. Man bemalte einfach den Helm und den Schild mit individuellen, kontrastreichen, klar erkennbaren bunten Zeichen und Symbolen. Jeder Ritter hatte dadurch ein persönliches Erkennungsmerkmal. Die so gekennzeichneten „Waffen“ wurden dann zum „Wappen“.

Die Wappen der Schweizer Kantone und der zugewandten Orte auf den Zinnen des Basler Rathauses
Familienwappen
Ab Mitte des 12. Jahrhunderts bildeten sich nacheinander Leitlinien und später bindende Regeln für die Präsentation der Zeichen auf den Schilden heraus. Ab dem 13. Jahrhundert wurde das persönliche Erkennungsmerkmal an die Familie weitergegeben. Es wurde zum Symbolträger für die ganze Familie. Das neu geschaffene Sinnbild genügte als Identifikationszeichen und keine erklärenden Worte waren mehr notwendig. Weil die Kultur des Mittelalters stark visuell geprägt war, waren Wappen auch ein Mittel der Sichtbarmachung von Geschichten, Episoden, Anekdoten und der Verherrlichung von Leistungen in der ritterlich-höfischen Welt und damit Träger kultureller Informationen. Den herrschenden Familien dienten die Wappen u. a. der Kennzeichnung von Rechten und deren Geltendmachung. Herrschaftsrechte stellten schon im Mittelalter Vermögenswerte dar, über die man fast frei verfügen konnte und die so die Bedeutung von privatem Eigentum hatten.
Hier zwei Beispiele von Familienwappen von Mitgliedern der GHGRB aus der handkolorierten Jubiläumsschrift: 50 Jahre Genealogisch-Heraldische Gesellschaft der Regio Basel, 1987.
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Familie | Kälin von Einsiedeln |
Blasonierung (Schild) | In Rot ein silbernes Kehleisen auf grünem Dreiberg, begleitet von drei goldenen Sternen |
Helmzier | Ein silbernes Kehleisen |
Helmdecke | rot |
Quelle | Wappen der Bürger von Einsiedeln im „Schweizer Archiv für Heraldik, 1915. |
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Familie | Jörg von Nördlingen |
Blasonierung (Schild) | Unter einem mit drei goldenen Sternen belegten blauen Schildhaupt, in schwarz ein goldener Löwe, einen blauen, goldbereiften Reichsapfel mit Kleeblattkreuz haltend |
Helmzier | Wachsender Löwe mit Reichsapfel |
Helmdecke | schwarz/golden |
Quelle | Das grosse und vollständige, anfangs Siebmachersche, hernacher Fürstische und Helmerische, nun aber Weigelische Wappenbuch in sechs Theilen, Teil V, S. 236, Nürnberg 1734 |
Wappen als Identifikationszeichen
Später wurden Wappen erfolgreich als äusseres Kennzeichen einer Zugehörigkeit, eines Besitzes, eines Vorrechtes oder einer Körperschaft verwendet. Demzufolge begegnen uns heutzutage Wappen überall, nämlich an den Fassaden von Gemeinde- und Rathäusern sowie auf Grenzsteinen.

Drei schwarzen Baselstäbe über den Arkaden des Basler Rathauses
Über Portalen, Kaminen und Fenstern von Burgen und Schlössern; als Schlusssteine von Torbögen und Gewölben von repräsentativen Bauten vergangener Jahrhunderte. Sie alle künden von Eigentum und Herrschaft. Als Wappenscheiben aus Glas erzählen sie Geschichten. In Handschriften bekunden sie den Schreiber, Verfasser oder Auftraggeber. Als Zunftwappen in Gasthäusern berichten sie von Standeszugehörigkeit. Man findet Wappen auch auf Alltagsgegenständen beispielsweise Gebäck und Anstecknadeln (GHGRB-Anisbrötli und GHGRB-PIN, siehe Foto rechts) oder auf einem Siegelring als Eigentumszeichen und auf Exlibris zur Kennzeichnung des Eigentums an Büchern. Als Hoheitssymbole begegnen uns Wappen heute auf Münzen, Uniformen, Abzeichen, Flaggen und Grenzschilder. Als visuelles Identifizierungszeichen sind Wappen ferner Bestandteil von Siegelgestaltungen.
Das GHGRG-Anisbrötli und der Pin
Siegel
Das Siegel (lateinisch sigillum = Bildchen) ist ein Zeichen staatlicher, ständischer oder religiöser Würde, Macht und Auszeichnung und damit eine Form der Beglaubigung von Urkunden. Ähnlich wie eine Unterschrift verleiht es dem Dokument seine Rechtskraft. Als Verschluss kann es auch dazu dienen, die Unversehrtheit von Behältnissen – z. B. Briefen – zu sichern. Erzeugt wird das Siegel mit einem Siegelstempel, der in eine weiche, erhärtende Masse gedrückt wird. Als Material dienen u. a. Siegelklumpen aus Siegellack, Siegelwachs, früher auch Ton. Mit der Funktion und Bedeutung von Siegeln befasst sich die Siegelkunde oder Sphragistik. Foto rechts: Eine Petschaft (Siegelstempel) mit einem Siegelabdruck und Siegelwachs.
Heraldik
Die Lehre von den Wappen und ihrem Gebrauch bezeichnet man als Wappenkunde oder Heraldik. Das Wort Heraldik geht zurück auf den Begriff Herold (altfranzösisch héraut, althochdeutsch heriwalto) – also ein Heer-Walter, im Sinne von der im Heer Waltende oder Verwaltende. Der Herold war im Mittelalter als wappenkundiger Bediensteter bei Fürsten und anderen Dienstherren für die Zeremonie zuständig.
Die Heraldik unterscheidet neben der Geschichte drei wichtige Bereiche:
- Blasonierung = Beschreibung der Wappen
- Wappenkunst = Gestaltungsregeln für die Wappendarstellung
- Wappenrecht = die Bestimmungen, welche die Führung eines Wappens regeln
Blasonierung
Der Ausdruck Blasonierung stammt vom französischen Wort blason, das ursprünglich die Bemalung eines Wappenschildes bezeichnet. Es ist eine Kunstsprache, die in ihren Grundzügen in Frankreich im 13. Jahrhundert entwickelt wurde als die ersten Wappenrollen und Wappenregister erstellt wurden. Ursprünglich wurde das Aussehen von Wappen offiziell nur mit Worten beschrieben. Erst mit der Verwendung von Wappen als Hoheitssymbole erhielten zusätzlich auch Abbildungen einen offiziellen Charakter, weil insbesondere bei Figuren die reine Beschreibung noch gewisse gestalterische Freiheiten lässt.
Die Kunstsprache ist umfangreich und hat einige Besonderheiten, so ist z. B. „heraldisch rechts“ die vom Betrachter aus linke Seite. Diese Konvention geht zurück auf das Mittelalter, als im Kampf das Wappen auf dem Schild getragen wurde und bezieht sich deswegen immer auf den Schildträger (der hinter dem Schild Stehende) und nicht auf den Betrachter.
Wappenkunst
Die Wappenkunst ist die Lehre von den Regeln der Wappendarstellung und beschäftigt sich mit dem Aufbau und der Gestaltung von Wappen.
Elemente
Ein Wappen besteht aus mindestens einem Wappenelement, dem Schild. Ein Familienwappen wird seit Mitte des 19. Jahrhundert mit einem Helm auf dem Schild sowie Helmzier und Helmdecke dargestellt und Vollwappen genannt. Bei Körperschaften (z. B. Gemeinden oder Universitäten) zeigt das Wappen in aller Regel keinen Helm, beim Hochadel besitzt es oft als Zutaten einen Schildhalter (Wappenträger) und einen Wappenmantel. Manchmal umfasst das Vollwappen auch mehrere Wappenschilde, mehrere Helme und/oder Spruchbänder mit einem Wahlspruch.
Farben
Die Farbgebung bei Wappen nennt man Tingierung (lateinisch tingere = färben). Für Wappendarstellungen wird nur eine kleine Palette an Farben und Mustern verwendet:
- die Metalle Gold und Silber oder ersatzweise Gelb und Weiss.
- die heraldischen Farben Rot, Blau, Schwarz und Grün.
- die Pelzwerke. Dies sind flächenfüllende Musterformen, die auf Tierfelle zurückgehen, beispielsweise Hermelin.
Gemeine Figuren
Gemeine Figuren nennt man die vielfältigen Figuren, die das Wappen über die Farben hinaus zieren. Es gibt zahlreiche Motive aus der belebten und unbelebten Natur. Sie können eingeteilt werden in
• natürliche Figuren – wie Menschen, Tiere und Pflanzen,
• Phantasiewesen – wie Fabelwesen und Mischwesen, sowie
• künstliche Figuren – wie Türme und Mauern (Burg), Waffen, Werkzeuge und weitere Alltagsgegenstände (z. B. Mühlrad), wobei es auch hier unwirkliche Mischobjekte geben kann.
Wappentiere bilden den grössten Teil der gemeinen Figuren. Dabei sind Löwe, Bär, Adler, Widder oder Stier sehr populär, aber auch Fabelwesen wie der Greif, der Doppeladler, das Einhorn, der Drache und die Schlange. Wappentiere in Stadtwappen und Kantonswappen sind häufig Symbole für die Stadt beziehungsweise die Region, z. B. der Bär für die Stadt Bern oder der Widder für den Kanton Schaffhausen.
Ein Beispiel für christliche Symbole in der Heraldik ist beispielsweise der Bischofsstab als Baslerstab im Wappen von Basel-Stadt und Basel-Landschaft.
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Kantonswappen Basel-Stadt | Kantonswappen Basel-Land |
Schildaufteilungen
Ein Schild kann durch eine oder mehrere Linien, die waagerecht, senkrecht oder schräg von Schildrand zu Schildrand verlaufen, in Felder aufgeteilt werden, das nennt man Schildaufteilung. Durch die geometrische Aufteilung des Schildes mit einer oder mehreren Linien entsteht ein Heroldsbild. In den einfachsten Fällen wird der Schild durch eine waagerechte (Kantonswappen von Solothurn: Rot und Weiss geteilt) oder senkrechte Linie (Kantonswappen vom Aargau: Gespalten rechts in Schwarz, links in Blau) in zwei verschiedenfarbige Felder geteilt. Durch verschiedene Arten der Schildteilung können sich bestimmte Figuren ergeben, z. B. Balken oder Schrägbalken (Region Baden: ein roter Schrägbalken). Insgesamt ergibt sich eine grosse Vielfalt an Heroldsbildern.
Kantonswappen von Solothurn
Kantonswappen von Aargau
Wappen der Region Baden
Schild- und Helmformen
Mit der Entwicklung der Waffentechnik und Kunststile änderte sich auch die Form von Schild und Helm. Die früheste verwendete Schildform ist der im Hochmittelalter verwendete Dreieckschild, dessen Seiten nach aussen gebogen sind (z. B. Familienwappen Kählin aus Einsiedeln). Der zugehörige Helm ist der Topfhelm, der teilweise mit einem Stoffüberzug versehen ist. Im 13. Jahrhundert entstand das Halbrundschild, das für die Wappendarstellungen mehr Raum bot. Aus dem Topfhelm ging der Kübelhelm hervor, der bereits mit stoffbahnenartigen Helmdecken versehen ist, und daraus wiederum der Stechhelm, der als Symbol des Bürgerwappens Bedeutung erlangte. Ihn kennzeichnen stärker eingeschnittene und eingerollte Helmdecken.
Allianzen
Aus Heirat, Erbschaft oder Gebietszuwachs ergibt sich die Notwendigkeit der Wappenallianz, um mindestens zwei Wappen verschiedener Träger in einem Wappen zu vereinigen. Je nach Absicht des Stammwappenführenden, kann dies einfach geschehen durch die Anordnung der Wappenschilde, z. B. Auflegung, Verschränkung oder Einfassung. (Region Elsass: Durch Auflegen der Lilienmäander vom Unterelsass und den drei goldenen Kronen beidseitig vom Balken vom Oberelsass)
Wappen Oberelsass
Wappen Unterelsass
Wappen der Region Elsass
Heraldik-Kodex
Die Gestaltungsregeln all dieser Elemente, Farben, Figuren, Aufteilungen, Formen und Allianzen werden mit dem Heraldik-Kodex beschrieben, einem heraldischen Regelwerk, das allmählich im Laufe der Zeit entstanden ist, aber nicht allgemeingültig und formal nicht feststehend ist. Der Heraldik-Kodex besteht aus einer Vielzahl von Leitmotiven, Konventionen, Grundsätzen, Richtlinien, Prinzipien, Empfehlungen, Verfahren und Methoden, an dem sich Wappeninteressierte und Wappenkundige orientieren.
Wappenrecht
Das Wappenrecht ist die Lehre von den Regeln der Wappenführung. Es regelt den Erwerb und den Schutz von Wappen.
Das Wappenrecht in der Schweiz ist nicht einheitlich geregelt. Geschützt sind nur die öffentlichen Wappen der Eidgenossenschaft, der Kantone, der Amteien, der Bezirke sowie der Gemeinden.
Familienwappen sind rechtlich nicht geregelt und es besteht auch keine Eintragungspflicht in einem öffentlichen Register. In der Schweiz dürfen alle – Privatpersonen, Vereine und andere juristische Personen – ein persönliches Wappen annehmen und führen. Es gibt ein Gewohnheitsrecht, was bedeutet, dass jede Person oder jede Familie ihr eigenes Wappen verändern oder ein neues kreieren darf. Sie sind in der Gestaltung frei (nach heraldischen Grundsätzen), dürfen jedoch kein bestehendes Wappen übernehmen. Diese sind wie der Name durch die Persönlichkeitsrechte gemäss dem Schweizerischen Zivilgesetzbuch geschützt.
Die Aufsicht über die Wappenführung wurde einstmals von den Herolden ausgeübt, an deren Spitze ein oberster Herold stehen konnte, so wie noch heute in Grossbritannien. In Deutschland wird diese Tradition durch den Verein HEROLD gepflegt. In der DEUTSCHEN WAPPENROLLE werden auf Antrag deutsche bürgerliche und adlige Wappen, altüberkommene und neugestiftete, gebührenpflichtig registriert.
Literatur und Webseiten (eine kleine Auswahl)
Marco Jorio: Historisches Lexikon der Schweiz 1-13, Schwabe Verlag Basel, 2002-2014.
Ottfried Neubecker: Wappenkunde, Battenberg Verlag, 1980
Ottfried Neubecker: Heraldik, Wappen Ihr Ursprung, Sinn und Wert, Krüger Verlag, 1977
Ottfried Neubecker: Großes Wappen-Bilder-Lexikon: der bürgerlichen Geschlechter Deutschlands, Österreichs und der Schweiz, Battenberg Verlag, 1993.
J.B. Riepstab: Illustrations to the Armorial General (Bd I – IV), Heraldry Todays, 1967.
Gustav A. Seyler: Die Wappen bürgerlicher Geschlechter Deutschlands und der Schweiz (Teil 1-4) -Siebmachers grosses Wappenbuch (Band 9-12), 1972-1974
Schweizerische Heraldische Gesellschaft https://www.schweiz-heraldik.ch
Historische Lexikon der Schweiz https://hls-dhs-dss.ch/de/.
Zusammenfassung
Das Modell der Wappen, der symbolhaften bildlichen Assoziation des Identifikationssymboles für eine Familie war so erfolgreich, dass die im Mittelalter geschaffenen Zeichen auch heute noch von grosser Faszination und Ausstrahlung sind, sei es in Form von Familienwappen oder staatlichen Hoheitszeichen. Die Heraldik ist damit, damals wie heute, ein integraler Bestandteil der abendländischen Kultur, und zugleich eine Brücke zwischen Geschichte und Gegenwart.
Quellen (für diesen Artikel)
Genealogisch-Heraldische Gesellschaft der Regio Basel 1937 -1987, Jubiläumsschrift mit 69 Wappentafeln von Mitgliedern, Herausgeber GHGRB, 1987.
Wikipedia (Stand: 17. Juli 2024) unter den Stichworten: Blasonierung, Heraldik, Heraldische Regeln, Herold, Siegel und Wappen
Webseiten: schweiz-heraldik.ch, wappenbild.ch, heraldik-wappen.info, Kunst & Kultur der Wappen von Bernhard Peter, hgw.geschichte.uni-muenchen.de, herold-verein.de
Vortrag von Rolf T. Hallauer (Obmann der GHGBRB) über Wappen vom 11. April 2023
Fotos von Gudrun Bernhard und Rolf Hallauer, sowie gemeinfreie Wappen aus dem Internet/Wikimedia Commons